Der Gedenkort Lindenberg e.V. führt selber seit 2024 so genannte „Fachkundigen-Begehungen“ durch. 

Ziviler Zutritt möglich – erst seit 2022 

Wie unter dem Reiter Home beschrieben ist es nach der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit (kurz "Stasi") nur sehr wenigen Personen möglich gewesen, sich die UHA als Zeugnis des DDR-Repressionsapparates anzusehen. Die schnelle Übernahme durch das neugegründete Justizministerium MV sah keine Erinnerung oder Aufarbeitung vor. Das Gebäudekomplex sollte schnellstmöglich zu einer modernen JVA umfunktioniert werden. 

 

Mit der Übernahme in die Justizverwaltung wurden zudem einige Umbauten nötig. Der Eingangsbereich/Schleuse wurde neu errichtet und die Mauer erhöht. Dafür wurden die für die DDR-Grenzsicherung typische mehrfache Maschendrahtsicherung mit Stacheldrahtreitern, Starkstromzäunen und Hundelaufstrecken abgebaut und entsorgt. Die ursprünglichen Glasbausteinfenster und Drahtverglasungen wurden ausgebaut und durch Fenster mit Gittern ersetzt. Die Zellen erhielten Schamwände zu den Toilettenbecken, die Sanitärausstattung wurde verbessert und Stasi-Sicherungstechnik auf den Fluren teilweise abgebaut. Bei den Fachkundigen Begehungen wird auf diese Veränderungen hingewiesen und deren Funktion erklärt. Die Anmut der UHA ist auch durch die Umbauten nicht zerstört worden. Die Wege von den Zellen zu den Verhörbüros sind nachvollziehbar, originale Markierungen erhalten. Allerdings verlangt der Zustand heute Wissen und Sachkunde, um die Artefakte richtig einordnen zu können. 


Unter dem Eindruck des ersten Aktionstages, der von der Stadt mit der Hochschule und der RAA-Geschichtswerkstatt zeitlupe im Juni 2022 organisiert wurde, wurde die Notwendigkeit exakter Erklärung augenfällig. Dem Verein ist es wichtig, alte Mythen und neue Erfindungen von Geschichte von der Gedenkarbeit möglichst fern zu halten. Dazu gehört eine korrekte Einordnung von Fakten und Erlebnissen, von denen Zeitzeug:innen berichten. 

 

Im Verein wurde dafür das Konzept der Begehungen mit Zeitzeug:innen aus den bekannten großen Gedenkorten übernommen und für die hiesigen Zwecke adaptiert. Wir nennen sie hier „Fachkundigenbegehung“ (Fachkundigen-Begehung, oder auch nur Begehung) und vermeiden unangemessene Ausdrücke und Formulierungen wie “Rundgang“, „Besichtigung“, „Besuch“ oder „Tag der offenen Tür“. 

Inhalte und Formen werden stetig weiterentwickelt. Dafür zeichnen sich im Verein Historiker:innen Dr. Christian Halbrock, Dr. Katrin Passens, die Hochschullehrerin für Demokratiepädagogik Prof.in Dr. Júlia Wéber und nicht zuletzt die Zeitzeuge:innen Thoralf, Maaß und Eva-Maria Schrader verantwortlich. Prof. Dr. Kai Brauer bringt seine Expertise in Biographie und Gemeindeforschung ein und organisiert die Begehungen mit den lokalen Partner:innen bzw. den Eigentümer:innen der Liegenschaft. Geschult werden diejenigen, die eine fachkundige Begehung im Haus umsetzen über die Kontakte und Kooperationen mit der UOKG und der zentralen Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen in Bezug auf das museumspädagogische Vorgehen. Zusätzliche helfen die fachlichen Kooperationen uns Austausche mit der Redaktion der einschlägigen Zeitschrift H+G (Heute und Gestern) sowie die Materialen und Hinweise aus dem Bundesarchiv (Stasi-Unterlagen-Archiv) in Berlin und Neubrandenburg und nicht zuletzt die Vernetzung der UHA-Gedenkstätten untereinander. 

Bisherige Begehungen

1.       Aktionstag im Juni 2022, organisiert von der Abteilung Kultur/SB Gedenkarbeit der Stadt Neubrandenburg, gemeinsam von der Hochschule Neubrandenburg und der RAA-Geschichtswerkstatt zeitlupe 

2.       Begehung des Vereins in Juni 2024 (Mit MdLs aus MV)

3.       Begehung des Vereins in Juli 2024 (mit Dr. E. Zupke)

4.       Begehung des Vereins im Herbst 2024 (mit lokalen Akteur:innen aus Politik und Verwaltung sowie Studierenden der Hochschule Neubrandenburg) 

5.       Begehung des Vereins mit der Stadt Neubrandenburg, Abteilung Kultur/SB Gedenkarbeit 

am 27.4. 2025 mit Studierenden und Lehrenden der Hochschule Neubrandenburg sowie Bürger:innen der Stadt Neubrandenburg

6.       Begehung am 16.6. 2025, 16:30h

7.       Begehung am 2.07.2025, 15:00h

Zwei Begehungen der UHA Lindenberg mit geladenen Gästen 

Mit Stadtverordneten und an der Aufarbeitung von Stasi-Unrecht Interessierten wurden am 26.06. und 01.07.2024 zwei Innenbegehungen der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt (UHA) des MfS auf dem Lindenberg mit großem Interesse durchgeführt. Vorher hatte die Abteilung Kultur der Stadt Neubrandenburg am 11.06.2024 eine Außenbegehung auf dem benachbarten, brachliegenden Gelände umgesetzt und über ihre Vorstellungen zum Gedenkvorhaben berichtet. Dabei blieb das Gebäude der Stasi-UHA selber, außen vor. Die naheliegende und notwendige Innenbegehungen wurden vom Verein Gedenkort Lindenberg e.V. und Hochschullehrenden des Fachbereichs Soziale Arbeit, Bildung und Erziehung der Hochschule Neubrandenburg organsiert und für zweimal 20 Personen angeboten.

Unter den Teilnehmenden waren vorrangig Dozierende, Ratsfrauen und Ratsherren der Stadtverordnetenversammlung Neubrandenburg sowie Aktive von Vereinen und Erinnerungsinitiativen. Dank der Förderung der Partnerschaft für Demokratie Neubrandenburg konnten Fachkundige gewonnen werden, die zu den Gegebenheiten vor 1990 berichteten. Darunter war die Zeitzeugin Eva-Maria Schrader, der Historiker Dr. Christian Halbrock und nicht zuletzt der Vereinsvorsitzende des Gedenkort Lindenberg e.V. und Zeitzeuge Thoralf Maaß, der durch das Haus führte. 

Nach einer Einführung in den Kontext in der neuen „Schleuse“ startete die Begehung in der ehemaligen, alten „Tiefgarage“ unter dem Zellentrakt. Wie in allen Stasi-UHAs, wurden hier aus den unauffälligen Barkas Gefangenentransporter mit Kofferaufsatz und fünf Zellen im Innern (GTW) die Menschen „zugeführt“, wobei sie nicht wissen sollten, wo sie waren und was mit ihnen geschehen wird. Deshalb waren in diesen GTW keine Fenster in den einzelnen, sehr kleinen Zellen vorhanden. Sie waren kaum größer als der in ihnen eingebaute und am Boden verschraubte Stuhl. 

Danach wurde der Weg bis in die Zellen gezeigt, über die täglichen Abläufe und das nächtliche Vorgehen berichtet. Im Gegensatz zur sowjetischen Praxis wurden in Neubrandenburg zwar keine Nachtverhöre durchgeführt. Dafür gab es „Sicherheitsmaßnahmen“ (6-8 min. lautstarke Kontrollen mit regelmäßigem Ein- und Ausschalten von Licht), die dauerhaften Schlafentzug während der Haft zur Folge hatten. Den letzten Teil der Begehungen nahm das große Vernehmungsgebäude ein, in dem die Verhöre stattfanden, denen alle noch nicht Abgeurteilten täglich, vor- und nachmittags, von Montag bis Samstagmittag, ausgesetzt waren. 

Am Platz der sogenannten „Freigangstorte“ wurden Bilder vom UHA-Komplex vor und nach 1990 gezeigt. Es wurde beklagt, dass durch den Abriss der Freigangszellen ein markantes Zeichen der Unterdrückung vernichtet wurde. Dies wurde auch zu den fehlenden Glasbausteinfenstern gesagt, die jede Sicht nach Außen versperrten und eine ungenügende Lüftung zur Folge in den Zellen hatten. Ebenfalls wurden nach 1990 in die meisten Zellen Schamwände eingebaut um den Bereich des Waschbeckens und der Toilette vom übrigen Zellenbereich zu trennen. Vorher war das nicht der Fall, damit das Wachpersonal die gesamte Zelle problemlos von außen einsehen konnte.

Für die Besuchenden war aber vor Allem die schiere Größe des Gebäudes überraschend. Der Eindruck der nicht enden wollenden Zellentüren ist umso bedrückender, da die Anlage für eine MfS-Bezirksverwaltung (von 15 in der DDR), gebaut wurde – für einen Bezirk mit grade 600.000 Einwohner:innen. Interessant waren auch die vielen Details, die noch heute den Atem der Staatssicherheit spüren ließen. Dazu gehören die Markierungen auf den Böden im Treppenhaus, die originalen Stahlgitter auf den Fluren und die massive Holzzellentüren, die weitgehend im Original erhalten sind sowie Überbleibsel der Flurampeln, die eine Begegnung der Delinquenten auf dem Flur ausschließen sollte und Überwachungsapparaturen. Frappant auch: Es dürfte sich um den einzigen UHA-Plattenbau dieses Typs handeln, der vollkommen schalldicht ist. 

Nach bewegenden Schilderungen durch die Zeitzeug:innen fand eine abschließende Diskussionsrunde bei der Stasi-Unterlagenbehörde (Bundesarchiv) statt. Während Fragen zur Geschichte und Details nachgefragt werden sollten, wurden auch Themen der Demokratiepädagogik behandelt. Die Meisten der Besuchenden waren das erste Mal hier vor Ort. Einige bemerkten, dass sie bis zu der Einladung noch nie etwas über den Bau gehört oder gesehen hatten. Auch Sachkundige aus dem Bereich Aufarbeitung hatten noch nie die Chance das Gebäude von innen zu sehen. Die meisten äußerten Ihre Verwunderung darüber, dass das Gebäude nicht für Schulklassen, Auszubildende und Studierende regelmäßig offenstehen würde. Warum extra Exkursionen nach Schwerin, Rostock oder Neustrelitz bzw. Berlin organisiert werden würden und warum über die hiesige Anlage, die offensichtlich einige diskussionsanregende Besonderheiten aufweist, die von Zeitzeuginnen gut erklärt werden können, nicht zugängig ist. 

Bei beiden Reflexionsrunden wurden Forderungen laut, solche wissenswerten Begehungen regelmäßig anzubieten, zumindest solange ein Abriss oder Verkauf dem ein Ende setzen würde. Jugendliche sollten den Ort selber erleben und kennenlernen, Schulklassen und Studierendengruppen, Klient:innen der politischen Bildung und Demokratiepädagogik könnten mit relativ geringem Aufwand Führungen von Zeitzeug:innen miterleben. Die Fachkundigen aus den anderen Bundesländern waren verwundert darüber, dass die Stadtverwaltung Neubrandenburg das hohe Potential des historisch bedeutsamen und einzigartigen Bauwerks und der damit verbundenen Geschichten bislang noch nicht erkannt hätte. 

Aktive des Gedenkortes Lindenberg wiesen auf die Komplexität der Eigentumslage hin und betonten die Dringlichkeit der Organisation von weiteren Begehungen und Veranstaltungen zum Thema. Bevor es zu einer Ausschreibung von Gedenkkonzepten käme, sollten realistische Nutzungskonzepte des beeindruckenden Bauwerks eruiert werden. Dazu müssten Zeitzeug:innenprojekte und Aufarbeitungsinitativen bei der Rahmensetzung der Ausschreibung einbezogen werden und genügend Wissen über den Zustand des Gebäudes vorliegen. 

Für die finanzielle Unterstützung der Begehung danken wir der Partnerschaft für Demokratie Neubrandenburg! 

Die unten stehenden Bilder bieten Einblicke in die Begehung am 1. Juli 2024.

Bilder: Verein Gedenkort Lindenberg e. V. (2024, wenn nicht anders ausgewiesen).

Bilder der Begehung am 01.07.2024

Zu Anfang begrüßte Prof. Dr. Kai Brauer die geladenen Gäste, Dr. Christian Halbrock erläuterte erste Besonderheiten des Bauwerks.

Zeitzeuge Thoralf Maaß zeigt die unterste Etage im Zellentrakt und informiert über die UHA-Haftbedingungen.

Kleines Treppenhaus , Zugang zur sogenannten Freiheitstorte.


Das große Treppenhaus, Verbindung vom Vernehmer- und Zellentrakt. An solchen Markierungen wie auf dem Bild weiß zu stehen, mussten die Gefangenen vor und nach dem Durchgang durch die Gittertür  während der Schlossvorgänge der Wärter stehen bleiben. 

Thoralf Maaß in seiner ehemaligen Einzelzelle, die nach 1990 modernisiert wurde: Das Fenster wurde neu eingesetzt, davor versperrten undurchsichtige Glasbausteine den Blick und der Heizkörper war hinter der doppelten Wand versteckt,  jegliche Kontaktaufnahme zu anderen Häfltingen war unmöglich.

Thoralf Maaß mit einer Angehörigen vor der ehemaligen UHA, fotografiert von Carsten Büttner.

 Die Zeitzeugin Eva-Maria Schrader im Gespräch mit Jutta Wegner, Parlamentarische Geschäftsführerin der Landtagsfraktion MV BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. 

Die geladenen Gäste im Austausch miteinander nach der Begehung. Im Vordergrund: die Zeitzeugin Eva-Maria Schrader im Gespräch mit Jutta Wegner (Bündnis 90/DIE GRÜNEN).

In diesem Gebäude befindet sich die Außenstelle des Bundesarchives (Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehem. DDR (BStU). Dieses Gebäude ist in der gleichen Plattenbauweise errichtet worden wie die ehem. UHA. Im Gegensatz zur UHA steht dieses Gebäude unter Denkmalschutz.
(Foto:  Lukas Wieczorek für die RAA-Geschichtswerkstatt zeitlupe, 2022) 

Begehungen der UHA, angeboten von der Stadt Neubrandenburg

Wie der NDR im Januar 2025 vermeldete wird auch die Stadt Begehungen organisieren:  

https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/haff-mueritz/Ehemalige-Stasi-JVA-Neubrandenburg-Einigung-zwischen-Stadt-und-Land,mvregioneubrandenburg2340.html

 

Es wäre sehr wünschenswert, wenn die kommunale Veraltung dies organisieren könnte, denn der Verein kann die Nachfrage in ehrenamtlicher Arbeit kaum alleine koordinieren. Jede Begehung ist ein „Einzelstück“: es müssen Ankündigen verteilt, Adressen der Interessierten gesammelt und „Haftungsfreistellungen“ unterzeichnet werden, die fachkundigen Zeitzeug:innen eingeworben und für solche Führungen eingeschult werden. Ein sehr aufwändiges Verfahren. Wir bitten daher zu verstehen, dass Begehungen, die durch unseren Verein organisiert sind, noch nicht regelmäßig umgesetzt werden können. Dies ist jedoch für die nahe Zukunft geplant.